Frank Beckmann: Wir müssen auf jeden Fall weg von der Stand-Alone-Technologie, bei der irgendwo eine Anlage singulär für Prototypen oder Einzelteile betrieben wird, und hin zu einer vollständigen Integration in Fabrikstrukturen. Außerdem ist die Additive Fertigung teilweise noch eine recht händische und wenig automatisierte Fertigungsroute. In unserem geplanten Neubau wollen wir komplett automatisierte, durchgehende Prozessketten für Kunststoff und für Metall abbilden – sowohl physisch als auch in der digitalen Prozesskette.
Prof. Dr. Ingomar Kelbassa: Der Trend geht klar in Richtung Virtualisierung. Sonst könnte ich nur einzelne Prozessschritte autark optimieren und nicht die komplette AM-Fertigungsroute, also End-to-End. Der zweite Megatrend ist definitiv die Automatisierung. Und der dritte Trend muss Resilienz sein: Gemeint ist, dass wir nicht nur die horizontale Prozesskette vom Design bis hin zum fertigen Endprodukt betrachten, sondern auch den CO2-Footprint des Produkt-Lifecycles. Und, dass wir die Supply Chain mit Tier eins und Tier zwei, unabhängig von Drittstaaten, resilient ausbauen. Wir müssen alles – von der Rohmaterial-Erzeugung bis hin zum fertigen Endprodukt inklusive MRO (Anmerkung der Redaktion: Maintenance Repair Overall, also Reparatur, Instandhaltung, Instandsetzung) des Bauteils und bis zum Recycling – selbst vor Ort durchführen können.
In unserer Initiative IAMHH® widmen sich zwei von drei Pilotprojekten dem Aufbau einer resilienten AM-Infrastruktur vor Ort. Einmal eine deutschlandweite End-to-End Darlegung – also vom Design bis hin zum fertigen Endprodukt inklusive Lifecycle. Im zweiten Projekt bilden wir den kompletten Lifecycle sogar lokal auf dem Hamburger Stadtgebiet ab. Wir haben vor, das Ganze für zwei Materialien zu demonstrieren, deutschlandweit für Metall, lokal in Hamburg für Kunststoff.
Ich glaube, wenn man diese Erfolgsgeschichte einmal geschrieben hat, motiviert das, in Richtung dezentrale, automatisierte Produktion zu gehen. Und natürlich ist die Motivation signifikant größer, wenn man gleichzeitig zeigen kann: Ich brauche mit der Fertigung von Bauteilen mittels einer AM-Fertigungsroute signifikant weniger Rohmaterial zur Erzeugung dieses Produktes. Und ich brauche signifikant weniger Energie. Und am Ende des Tages zeigt sich die AM-Fertigungsroute im Benchmark-Vergleich zu jeglicher Art der konventionellen Fertigung potenziell sogar als die mit Blick auf den CO2-Footprint nachhaltigste und dazu günstigste Lösung.
Wenn die Produktivität dargestellt ist, wird jeder produzierende Betrieb der Welt sich zumindest mit AM befassen, AM komplementär zur konventionellen Fertigung einsetzen oder sogar in Gänze auf AM umschwenken. Da steuern wir hin: Zu einer »grünen Fertigung « mit AM.